Was
steckt dahinter ?
Edelsteine
haben die Menschen von jeher fasziniert. Die
Symmetrieeigenschaften strenger Kristallformen, die von den
Oberflächen ausgehenden Lichteffekte und der Formen- und
Farbenreichtum erwecken im Betrachter den Eindruck von Harmonie
in diesem besonderen Zustand der Materie. Diese Eigenschaften
einzufangen und in Bildern wiederzugeben habe ich mir als
Aufgabe gestellt.
Was lernt der
Künstler von diesem Zweig der Natur? Sie setzt bei der Bildung
von Edelsteinen glutflüssige Schmelze, das Magma, ein, woraus
sich beim Erkalten Kristalle abscheiden. Bizarre Formen
entstehen, wenn sich fließende, spät kristallisierende Anteile
dem noch verbliebenen Raum anpassen und unter Druck durch Gänge
und Spalten im Gestein zwängen müssen; so entstehen die
typischen Streifen- und Schichtstrukturen. Aus heißen wässrigen
Lösungen scheiden sich schließlich regelmäßig geordnete
Strukturen der vielfältigsten Farbenpracht ab. Das Ergebnis sind
Kristallformen, Fließstrukturen und ästhetisch ansprechende
Übergangsgebilde zwischen Ordnung und Chaos. Die Natur ist dabei
eine sehr kreative, allerdings langsam arbeitende Künstlerin;
ihre Prozesse dauern Jahrtausende, manchmal Jahrmillionen.
Die
„Malmittel“ der Natur auf diesem Gebiet sind Magma und Lösungen,
ihre Werkzeuge sind die Naturgesetze, hier vor allem aus dem
Bereich der Physik. Auch dem Künstler stehen diese Gesetze der
Natur zur Verfügung, er kann sie auf die ihm zur Verfügung
stehenden Malmittel übertragen und damit Naturprozesse
nachbilden. Das ist das Grundprinzip meiner Bilder .
Die hier
angewandte Arbeitsweise kann man als Farbflußtechnik.
bezeichnen. Dabei wird die Eigenschaft bestimmter Farbträger
benützt, eine stark von der Temperatur abhängige Fließfähigkeit
zu besitzen. Prägt man dem Malgrund durch Infrarotstrahlung oder
Wärmeleitung ein bestimmtes Temperaturprofil auf, so ergeben
sich eigenartige, teils sogar bizarre Farbverläufe, wobei sich
scharfe Farbgrenzen und weiche Farbmischungen abwechseln. Hier
werden Vorgänge wirksam, die sich in der Natur beim Fließen von
Magma abgespielt und beispielsweise zu der typischen Struktur
von Achaten geführt haben.
Ein von der
Natur gerade bei Edelsteinen spektakulär verwendeter Effekt ist
die materialabhängige Lichtbrechung. Auch bei bestimmten
Malmitteln findet man diese Werkstoffeigenschaft. Sie läßt sich
allein oder auch zusammen mit gezielt herge-stellten
Reflexionseigenschaften von Malgründen wirksam einsetzen.
Edelsteine
werden meist neben grobem Gestein gefunden oder von diesem
eingeschlossen. Diese Nachbarschaft stark unterschiedlicher
Strukturen findet man auch in den Bildern derart, daß sie mit
einem breiten Rahmen sehr grober, meist dunkel gehaltener
Oberfläche versehen sind. Diese Art der Bildabgrenzung zur
Umgebung steigert die Bildwirkung ebenso wie eine meist
aufgebrachte Kaltglasur. Sie ergibt eine glatte Oberfläche in
Anlehnung an den Effekt, daß ein Edelstein selten im Fundzustand
belassen, vielmehr meist poliert wird.
Dieses weite
Feld der Gestaltungsmöglichkeiten will ich in Zukunft ausbauen
und weiterentwickeln. Das faszinierende Wechselspiel von Form,
Farbe und Licht, welches die Gesetze der Physik ermöglichen,
wird bei der Bildgestaltung ergänzt und unterstützt durch das
Einbeziehen mathematischer Gesetze, die in der bildenden Kunst
schon von jeher eine (meist unerkannte) Rolle gespielt haben.
Ein Blick von außen auf die Bilder von
Albert Ott
von Rick
Taylor , Glaskünstler
übersetzt aus dem Amerikanischen von
Irene Kestler
Meine erste
Begegnung mit Albert Ott erfolgte im August 2006. Er befand sich
auf einer Reise durch Oregon und fuhr an unserer Werkstatt
vorbei, die zu unserem Atelier gehört. Atelier und Werkstatt
betreibe ich zusammen mit meiner Partnerin Pamela Londa, wir
entwerfen und realisieren Kunstobjekte aus Glasschmelze in Form
von Vasen, Schalen, Lampen und Schmuck. Die Front unserer
Werkstatt zur Straße ist offen (heiß genug war es drinnen durch
den Schmelzofen und draußen durch die Sonne), Albert Ott kam
herein und begann, unseren anderen Besuchern bei der Arbeit
zuzusehen. Unter unserer Anleitung lassen wir Gäste gerne auch
einmal selbst versuchen, Glasgegenstände herzustellen mit
Ergebnissen, die mitunter für uns selbst verblüffend gut
ausfallen. Ich ermunterte Albert Ott, ebenfalls einen Versuch zu
starten, doch anstatt sich ans Werk zu machen, zog er eine
Visitenkarte mit einem Bild aus der Tasche und forderte mich
auf, das abgebildete Motiv in Glas zu realisieren. Ich wollte
Näheres wissen und erfuhr, daß Albert Ott selbst mit fließenden
Materialien künstlerisch arbeitet, jedoch nicht mit Glas,
sondern mit fließenden Farben und dabei Naturvorgänge der
Entstehung von Edelsteinen nachbildet. Ich wollte noch mehr
erfahren und zusammen stiegen wir in die Website von Albert Ott
ein. Was ich dort sah nahm, mich sogleich gefangen. Meine Arbeit
ist gekennzeichnet durch den täglichen Umgang mit zäh fließenden
Gläsern verschiedener Farben, die ich in die bizarrsten Formen
bringe; in der Website von Albert Ott sah ich nun Verwandtes und
Neues zugleich, die Ergebnisse einer Fließtechnik in der Ebene,
hier mit Farben anstelle von Glas. Bekanntes trat mir entgegen
in den eigenartigen Formen, die der freie und auch teilweise
erzwungene Fluß von Farben in den Bildern von Albert Ott
hervorbringt, so wie ich dies auch bei meinem Werkstoff Glas
täglich erlebe. Zäh fließende Flüssigkeiten, egal aus welchem
Material, gehorchen nun einmal den gleichen Gesetzen des
Fließens, sie scheinen sich chaotisch zu verhalten und werden
dennoch von Ordnugsprinzipien gebändigt. Bekanntes sah ich auch
in den Grenzbereichen benachbarter Farben: neben der
Konturenbildung durch scharfe Farbgrenzen entstehen auch
teilweise Farbmischungen, die zu neuen Farbeindrücken führen,
bei Glas genauso wie bei Farben. Neues sah ich dort, wo die
Farbe Effekte zuläßt, die dem Glas kaum oder auch überhaupt
nicht zugänglich sind. Während Glas seine Farbbrillanz am
vollkommensten bei durchtretendem Licht entfaltet, sind
vergleichbare Lichteffekte in den Bildern von Albert Ott auch
bei reflektiertem Licht zu sehen. Er steigert diese Effekte
häufig noch durch das Hinterlegen seiner Bilder mit Metall,
wobei er den Metalloberflächen durch Bearbeitungsvorgänge wie
Ätzen oder Strukturieren zusätzliche Eigenschaften der
richtungsabhängigen Lichtreflexion vermittelt. Derartige Bilder
realisiert er dann mit transparenten Farben fließender
Konsistenz. Ein weiteres Merkmal: Auf fließenden Farben
beruhende Bilder lassen auch eine feinere Strukturierung als
Glasobjekte zu, da Albert´s Farbträger eine weitaus kleinere
Zähigkeit als Glas haben. Auch dieses Merkmal wird von Albert
Ott in die Gestaltung seiner Bilder einbezogen. Wir hätten
stundenlang über Farben, Glas, Formen und
Gestaltungsmöglichkeiten diskutieren und Erfahrungen austauschen
können.
Die Visitenkarte von Albert Ott mit dem erwähnten Bild noch vor
Augen (es handelte sich um das Bild „Sonnenflammen“ A.O.),
wollte ich doch nun wieder im Material Glas tätig werden, wozu
er mir gleich einen Vorschlag hinterließ, nämlich das Bild in
seiner Originalgröße 70 cm x 70 cm in Glas zu realsieren. Meine
Partnerin sah das genauso wie ich als eine beträchtliche
Herausforderung an, da wir üblicherweise Hohlkörper und daraus
abgeleitete Objekte formen, während es sich hier um ein nicht
gerade kleines ebenes Objekt handelt, bei dem die fließenden
Farben, hier als geschmolzenes Glas, in gezielte Bahnen zu
lenken sind. Die Bildvorlage in Großformat bekommen wir von
Albert Ott, die Farbgläser haben wir bereits, die Freude am
Gestalten ebenfalls, also fangen wir an !
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