Albert OTT         Wiesbaden 
 

Was steckt dahinter ?

Edelsteine haben die Menschen von jeher fasziniert. Die Symmetrieeigenschaften strenger Kristallformen, die von den Oberflächen ausgehenden Lichteffekte und der Formen- und Farbenreichtum erwecken im Betrachter den Eindruck von Harmonie in diesem besonderen Zustand der Materie. Diese Eigenschaften einzufangen und in Bildern wiederzugeben habe ich mir als Aufgabe gestellt.

Was lernt der Künstler von diesem Zweig der Natur? Sie setzt bei der Bildung von Edelsteinen glutflüssige Schmelze, das Magma, ein, woraus sich beim Erkalten Kristalle abscheiden. Bizarre Formen entstehen, wenn sich fließende, spät kristallisierende Anteile dem noch verbliebenen Raum anpassen und unter Druck durch Gänge und Spalten im Gestein zwängen müssen; so entstehen die typischen Streifen- und Schichtstrukturen. Aus heißen wässrigen Lösungen scheiden sich schließlich regelmäßig geordnete Strukturen der vielfältigsten Farbenpracht ab. Das Ergebnis sind Kristallformen, Fließstrukturen und ästhetisch ansprechende Übergangsgebilde zwischen Ordnung und Chaos. Die Natur ist dabei eine sehr kreative, allerdings langsam arbeitende Künstlerin; ihre Prozesse dauern Jahrtausende, manchmal Jahrmillionen.

Die „Malmittel“ der Natur auf diesem Gebiet sind Magma und Lösungen, ihre Werkzeuge sind die Naturgesetze, hier vor allem aus dem Bereich der Physik. Auch dem Künstler stehen diese Gesetze der Natur zur Verfügung, er kann sie auf die ihm zur Verfügung stehenden Malmittel übertragen und damit Naturprozesse nachbilden. Das ist das Grundprinzip meiner Bilder .

Die hier angewandte Arbeitsweise kann man als Farbflußtechnik. bezeichnen. Dabei wird die Eigenschaft bestimmter Farbträger benützt, eine stark von der Temperatur abhängige Fließfähigkeit zu besitzen. Prägt man dem Malgrund durch Infrarotstrahlung oder Wärmeleitung ein bestimmtes Temperaturprofil auf, so ergeben sich eigenartige, teils sogar bizarre Farbverläufe, wobei sich scharfe Farbgrenzen und weiche Farbmischungen abwechseln. Hier werden Vorgänge wirksam, die sich in der Natur beim Fließen von Magma abgespielt und beispielsweise zu der typischen Struktur von Achaten geführt haben.

Ein von der Natur gerade bei Edelsteinen spektakulär verwendeter Effekt ist die materialabhängige Lichtbrechung. Auch bei bestimmten Malmitteln findet man diese Werkstoffeigenschaft. Sie läßt sich allein oder auch zusammen mit gezielt herge-stellten Reflexionseigenschaften von Malgründen wirksam einsetzen.

Edelsteine werden meist neben grobem Gestein gefunden oder von diesem eingeschlossen. Diese Nachbarschaft stark unterschiedlicher Strukturen findet man auch in den Bildern derart, daß sie mit einem breiten Rahmen sehr grober, meist dunkel gehaltener Oberfläche versehen sind. Diese Art der Bildabgrenzung zur Umgebung steigert die Bildwirkung ebenso wie eine meist aufgebrachte Kaltglasur. Sie ergibt eine glatte Oberfläche in Anlehnung an den Effekt, daß ein Edelstein selten im Fundzustand belassen, vielmehr meist poliert wird.

Dieses weite Feld der Gestaltungsmöglichkeiten will ich in Zukunft ausbauen und weiterentwickeln. Das faszinierende Wechselspiel von Form, Farbe und Licht, welches die Gesetze der Physik ermöglichen, wird bei der Bildgestaltung ergänzt und unterstützt durch das Einbeziehen mathematischer Gesetze, die in der bildenden Kunst schon von jeher eine (meist unerkannte) Rolle gespielt haben.


Ein Blick von außen auf die Bilder von Albert Ott

von Rick Taylor , Glaskünstler
übersetzt aus dem Amerikanischen von Irene Kestler

Meine erste Begegnung mit Albert Ott erfolgte im August 2006. Er befand sich auf einer Reise durch Oregon und fuhr an unserer Werkstatt vorbei, die zu unserem Atelier gehört. Atelier und Werkstatt betreibe ich zusammen mit meiner Partnerin Pamela Londa, wir entwerfen und realisieren Kunstobjekte aus Glasschmelze in Form von Vasen, Schalen, Lampen und Schmuck. Die Front unserer Werkstatt zur Straße ist offen (heiß genug war es drinnen durch den Schmelzofen und draußen durch die Sonne), Albert Ott kam herein und begann, unseren anderen Besuchern bei der Arbeit zuzusehen. Unter unserer Anleitung lassen wir Gäste gerne auch einmal selbst versuchen, Glasgegenstände herzustellen mit Ergebnissen, die mitunter für uns selbst verblüffend gut ausfallen. Ich ermunterte Albert Ott, ebenfalls einen Versuch zu starten, doch anstatt sich ans Werk zu machen, zog er eine Visitenkarte mit einem Bild aus der Tasche und forderte mich auf, das abgebildete Motiv in Glas zu realisieren. Ich wollte Näheres wissen und erfuhr, daß Albert Ott selbst mit fließenden Materialien künstlerisch arbeitet, jedoch nicht mit Glas, sondern mit fließenden Farben und dabei Naturvorgänge der Entstehung von Edelsteinen nachbildet. Ich wollte noch mehr erfahren und zusammen stiegen wir in die Website von Albert Ott ein. Was ich dort sah nahm, mich sogleich gefangen. Meine Arbeit ist gekennzeichnet durch den täglichen Umgang mit zäh fließenden Gläsern verschiedener Farben, die ich in die bizarrsten Formen bringe; in der Website von Albert Ott sah ich nun Verwandtes und Neues zugleich, die Ergebnisse einer Fließtechnik in der Ebene, hier mit Farben anstelle von Glas. Bekanntes trat mir entgegen in den eigenartigen Formen, die der freie und auch teilweise erzwungene Fluß von Farben in den Bildern von Albert Ott hervorbringt, so wie ich dies auch bei meinem Werkstoff Glas täglich erlebe. Zäh fließende Flüssigkeiten, egal aus welchem Material, gehorchen nun einmal den gleichen Gesetzen des Fließens, sie scheinen sich chaotisch zu verhalten und werden dennoch von Ordnugsprinzipien gebändigt. Bekanntes sah ich auch in den Grenzbereichen benachbarter Farben: neben der Konturenbildung durch scharfe Farbgrenzen entstehen auch teilweise Farbmischungen, die zu neuen Farbeindrücken führen, bei Glas genauso wie bei Farben. Neues sah ich dort, wo die Farbe Effekte zuläßt, die dem Glas kaum oder auch überhaupt nicht zugänglich sind. Während Glas seine Farbbrillanz am vollkommensten bei durchtretendem Licht entfaltet, sind vergleichbare Lichteffekte in den Bildern von Albert Ott auch bei reflektiertem Licht zu sehen. Er steigert diese Effekte häufig noch durch das Hinterlegen seiner Bilder mit Metall, wobei er den Metalloberflächen durch Bearbeitungsvorgänge wie Ätzen oder Strukturieren zusätzliche Eigenschaften der richtungsabhängigen Lichtreflexion vermittelt. Derartige Bilder realisiert er dann mit transparenten Farben fließender Konsistenz. Ein weiteres Merkmal: Auf fließenden Farben beruhende Bilder lassen auch eine feinere Strukturierung als Glasobjekte zu, da Albert´s Farbträger eine weitaus kleinere Zähigkeit als Glas haben. Auch dieses Merkmal wird von Albert Ott in die Gestaltung seiner Bilder einbezogen. Wir hätten stundenlang über Farben, Glas, Formen und Gestaltungsmöglichkeiten diskutieren und Erfahrungen austauschen können.
Die Visitenkarte von Albert Ott mit dem erwähnten Bild noch vor Augen (es handelte sich um das Bild „Sonnenflammen“ A.O.), wollte ich doch nun wieder im Material Glas tätig werden, wozu er mir gleich einen Vorschlag hinterließ, nämlich das Bild in seiner Originalgröße 70 cm x 70 cm in Glas zu realsieren. Meine Partnerin sah das genauso wie ich als eine beträchtliche Herausforderung an, da wir üblicherweise Hohlkörper und daraus abgeleitete Objekte formen, während es sich hier um ein nicht gerade kleines ebenes Objekt handelt, bei dem die fließenden Farben, hier als geschmolzenes Glas, in gezielte Bahnen zu lenken sind. Die Bildvorlage in Großformat bekommen wir von Albert Ott, die Farbgläser haben wir bereits, die Freude am Gestalten ebenfalls, also fangen wir an !

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